Caprese. Capisci?

Capri – kennt man. „Caprese“ auch: Tomaten, Mozzarella und duftendes Basilikum schichten sich zum Klassiker aller Vorspeisen. Und die Capri-Fischer, die kennen wir auch: Sie werfen ihre Netze aus, wenn die rote Sonne im Meer versinkt, und liegen uns damit schlagermächtig seit einem Dreivierteljahrhundert in den Ohren. Ein frischer Blick auf Capri wäre willkommen – vielleicht in Form eines launigen »Capriccios«? Das Doppelwort »capo-riccio« zeichnet das skurrile Bild eines Menschen mit stacheligem Igel auf dem Kopf. Wie sähen wir also die italienische Felseninsel, wenn wir sie gekrönt mit einem »riccio di mare« auf dem Kopf, einem Seeigel aus dem morgendlichen Beifang der Capri-Fischer, anschauten?

Unter den kapriziösen Inselbewohnern sticht ein früher besonders hervor: Der römische Kaiser Tiberius. Von seinen zwölf Villen auf Capri thront die prunkvollste an der äußersten Nordspitze der Insel 300 Meter hoch über dem Meer. Die spektakuläre Terrasse des 7.000 Quadratmeter großen, achtstöckigen Palastbaus gewährt einen grandiosen Blick über den Golf von Neapel und den Vesuv. Der Kaiser pflegte hier zu speisen, darunter Köstlichkeiten wie den luxuriös geschichteten »Milcheintopf« seines weltberühmten Zeitgenossen Apicius. Man nehme, schreibt der Feinschmecker, »Malven, Mangold, Lauch, Sellerie und Kohl, füge gekochtes Huhn, Hirn, lukanische Würste, hartgekochte Eier, Zervelatwurst in Scheiben, Hühnerleber, frittierten Seefisch, einige goldgelbe Fahnenquallen, Austern und frischen Käse schichtweise hinzu, streue Pinien- und Pfefferkörner darüber, tränke das Ganze mit einer Soße aus Pfeffer, Liebstöckel, Selleriekörnern und Silphium (dem Pflanzensaft einer sündhaft teuren Fenchelart) , koche es auf, übergieße es mit einer aus rohen Eiern und Milch geschlagene Masse, pfeffre es und garniere es reichlich mit frischen Seeigeln.« Nach derart üppigem Schmaus pflegte Tiberius zu präambulieren, vorzugsweise in den weitläufigen überdachten Wandelgängen seines Palastes. Als Strandspaziergänger ist er nicht in die Annalen der Geschichte eingegangen. Dort hätten ihm die herangleitenden Wellen seine über die Füße geraffte kaiserliche Toga auch ungebührlich durchnässt.

Gut 900 Jahre später lief Sonja de Lennart eben jenen Flutsaum auf Capri entlang und ärgerte sich genau darüber: Daß nämlich die auslaufenden Wellen den Saum ihrer Hosenbeine klatschnaß machten. Die junge Münchner Modedesignerin kürzte daraufhin ihre Hose auf Dreiviertel-Länge und nannte sie nach ihrem Lieblings-Ferienziel »Capri-Hose«. Der schmale Hosenschnitt erlangte Weltruhm, als Hubert de Givenchy die Capri-Hose später Audrey Hepburn für einen Film auf den Leib schneiderte. Danach wollten alle Hose tragen: Brigitte Bardot, Marilyn Monroe und Jackie Kennedy.

Letztere bekam übrigens eines Abends Anfang der 1960er Jahre bei einem Segeltörn vor der Amalfi-Küste einen Negroni gereicht. Er sollte ihr Lieblings-Drink werden: Dunkelrot vermischten sich Gin, Wermut und Campari, und im Glas schwamm eine Orangenscheibe. Farblich nahm der Negroni die Abendröte auf, wie sie sich abends über der westlich von Amalfi liegenden Insel Capri abzeichnet. Und »wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt …« – Sie kennen das ja: Dann fahren nicht nur die Capri-Fischer aufs Meer hinaus und legen ihre Netze aus. Auch Jackie Kennedy ist auf dem Wasser und nippt an ihrem Sundowner. Ob bei der First Lady dazu der schmachtige Tango-Schlager über das Deck strich, ist nicht bekannt. Sicher ist, daß eine englische Version des Welthits bereits vierzehn Jahre zuvor die amerikanischen Charts gestürmt und sich souverän zwei Wochen auf Platz 24 gehalten hatte. Comecchessia: Alla salute!